Montag, 19. Mai 2008

Medien zur Adipositas: Ihre Diät ist schuld!

Ganz klar - gemessen an den täglichen Medienberichten über Fettsucht, kann man kaum behaupten, dass das Thema vernachlässigt wird.

Aber trotz der Vielzahl an Meldungen: Steuern die Medien wirklich etwas dazu bei, das öffentliche Verständnis der Adipositas zu vertiefen? Was wird berichtet? Und vielleicht noch wichtiger: worüber wird nicht berichtet?

Zu den kanadischen Medien habe ich keine Statistiken, aber eine neue Studie aus Australien verdient Aufmerksamkeit, sollte sie auch auf Kanada zutreffen.

Catrioni Bonfiglioli von der Universität Sydney analysierte 50 repräsentative TV-Nachrichten und aktuelle Meldungen zu Übergewicht und Adipositas, die von fünf Sendern in New South Wales zwischen Mai und Oktober 2005 ausgestrahlt wurden.

Nach den Ergebnissen, die letztes Jahr im Medical Journal of Australia publiziert wurden, fanden die Forscher, dass die Medien dazu neigen, die Adipositas ganz überwiegend als ein Problem einzelner Individuen darzustellen, mit einer falschen Ernährung als Hauptursache.

Ich fand die Art der Themen bemerkenswert und habe sie daher hier kopiert:

Modern medical miracles: z.B. LAPBand-Chirurgie rettet Leben

Surprise or quirky news: z.B. Wein hilft beim Abnehmen

Individual success stories: z.B. Sieger beim Abnehmwettbewerb am Arbeitsplatz

Hunting the Holy Grail of weight loss: z.B. „Die Diät, die funktioniert“

Danger in the familiar: z.B. Kaffee maacht dicker als ein Big Mac

Health scare: z.B. die Adipositas-Epidemie bedroht alle

David and Goliath battle: z.B. McDonald’s klagt Aktivisten wegen Beleidigung an

Debunking myths: z.B. zehn Märchen zur Gewichtsabnahme entlarvt

The elixir of life: z.B. Weniger essen und mehr bewegen ist der Schlüssel für längeres Leben

Big bucks - obesity is big business: z.B.. $3-Millionen-Dollar ausgegeben für eine Kinder-Beobachtungsstudie

Government in bed with business: z.B. die US-Regierung handelt, damit die Fast-Food-Industrie nicht wegen Adipositas angeklagt wird

Celebrity: z.B. Sportler ruft zu mehr Aktivität auf, um Adipositas bei Kindern zu stoppen

Food fight: conflicts:z.B. ABC feiert eine Debatte über Ernährung

Junk food TV advertising to blame: z.B. Gesundheitsexperten und Eltern greifen die Werbung für Junk Food an

Parents to blame: z.B. Eltern übergewichtiger Kinder werden wegen Misshandlung bzw. Vernachlässigung angeklagt

Pester power: z.B. der Kampf, Kinder für gesundes Essen zu gewinnen

Don’t brand fat children: z.B. Kinder als fett zu etikettieren ist grausam

Obesity is genetic: z.B. Adipositas ist familiär bedingt

Der Faktor, der am häufigsten als Adipositas-Ursache genannt wurde, war die Ernährung (72%), während Inaktivität einschließlich Computerspielen nur in 14% der Berichte als ursächlich erwähnt wurde.

Das Individuum wurde in 66%, die Industrie in 8% und die Gesellschaft in 6% als „schuldig“ bezeichnet.

Allgemein lautete der generelle Tenor der Medienberichte, Adipositas sei ein Ergebnis des individuellen Lebensstils, und man schlug Lösungen vor, die auf der persönlichen Verantwortung für eine individuelle Änderung basieren, also die Rhetorik der “freien Wahl”.

Ob absichtlich oder unabsichtlich lenken die australischen Medien völlig von der Idee ab, dass Regierung und Industrie an der Verantwortung für das adipogene Umfeld ebenfalls beteiligt sein könnten.

Konzentriert man sich auf die Ernährung des Einzelnen, führt das weg von strukturellen Fragen, z.B. von der Notwendigkeit, stundenlang bewegungsarm zu arbeiten, von einer ungenügenden Stadtplanung, langen Wegen für Pendlern, unzureichendem öffentlichen Verkehr und anderen Faktoren, die entscheidend sein könnten, um die Adipositas-Epidemie anzugehen. Das aber ist ungleich unbequemer für die Politiker und Aktionäre, als einfach die “Opfer” verantwortlich zu machen.

Indem sie den Gedanken der individuellen Verantwortung und individueller Lösungen in den Vordergrund stellen, spielen die Medien sicher eine Rolle beim weit verbreiteten Vorurteil und der Diskriminierung von Übergewichtigen bis Fettsüchtigen, einfach durch die Auswahl der Themen, über die sie berichten und die sie ausblenden.

Ich frage mich, ob eine Untersuchung zu Berichten der kanadischen Presse ähnliche Ergebnisse zeigen würde.

AMS
Edmonton, Alberta

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