Montag, 7. Juli 2008

Deutschland erwacht zum Thema Adipositas

Wie in anderen europäischen Ländern, wird die Adipositas auch in Deutschland immer häufiger. Laut Regierungsstatistik sind zwei Drittel aller deutschen Männer zwischen 18 und 80 Jahren übergewichtig, und fast die Hälfte aller Frauen hat ein Gesichtsproblem. Das bedeutet, dass etwa 37 Millionen Erwachsene und 2 Millionen Kinder und Teens in Deutschland an gewichtsassoziierten Störungen leiden.

Als Reaktion darauf hat die deutsche Regierung unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in Zusammenarbeit mit Horst Seehofer, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine neue Adipositas-Initiative lanciert. Das Ziel des Programms besteht darin, bis zum Jahr 2020 die mit Adipositas assoziierten Krankheiten drastisch zu senken. Für die nächsten zwei Jahre sind Ausgaben von 30 Millionen Euro dafür vorgesehen.

Wie auch anderswo erkennt auch in Deutschland die Regierung, dass die Epidemie nicht nur das Ergebnis von ungünstigen Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel ist, sondern auch Folge weitreichender sozialer und infrastruktureller Faktoren. Daher appelliert das Programm an Politiker, Wissenschaftler, Gesundheitsversorger, Verbände und die Nahrungsindustrie, dazu beizutragen, eine gesündere Lebensweise zu vermitteln und zu fördern. Nicht überraschend enthält das Paket folgende Ideen: Erziehung in Richtung gesünderen Essens und körperlicher Aktivität, strengere Standards in der Schulernährung, bessere Nährstoff- und Produktinformation durch die Nahrungsmittelindustrie, eingeschränkte Werbung von Süßigkeiten- und „Junk Food“-Herstellern an die Zielgruppe Kinder, also insgesamt die übliche Liste von Initiativen.

Wie auch anderswo ignoriert aber auch in Deutschland die Regierung weitreichend eine wesentliche Konsequenz aus der Tatsache, dass 37 Millionen Deutsche schon mit dieser chronischen Krankheit leben, dass dies nämlich umgehend einen verbesserten Zugang zu evidenzbasierten Adipositas-Behandlungen erfordert, und hierzu müssen gleichzeitig die Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Wie in den meisten anderen Ländern (mit der bemerkenswerten Ausnahme Großbritannien) bleibt der Zugang zu einer professionellen Adipositas-Behandlung auf eine lächerlich kleine Zahl von Individuen beschränkt, überwiegend auf solche, die sich das als privat bezahltes Angebot leisten können.

Wie ich in meinem Blog schon angesprochen habe: Dass man die Adipositas-Prävention fördert (und hofft, dass dies auf fruchtbaren Boden fällt) sollte keine Entschuldigung dafür sein, dass man den Menschen die Adipositas-Behandlung vorenthält, die davon schon betroffen sind.

AMS
Edmonton, Alberta

Bild: Rainer Zenz

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