Keine Angst, das wird keine Diskussion darüber, ob Adipositas eine Krankheit oder "einfach" ein Risikofaktor ist. Auch geht es jetzt nicht wieder um Adipositas-Definitionen - anthropometrische oder andere. Heute geht es lediglich um eine Analogie, um das klinische Denken in Bezug auf übermäßiges Gewicht zu schärfen.
Stellen Sie sich jemanden mit einem erhöhten Plasmakreatininspiegel (einem Marker für Nierenversagen) vor. Das erhöhte Kreatinin sagt uns mit Sicherheit, dass mit den Nieren etwas im Argen liegt - nicht mehr und nicht weniger. Vom Kreatininspiegel allein können wir ableiten, dass die Nieren in ihrer exkretorischen Funktion versagen, aber warum sie versagen, das geht daraus nicht hervor - ist es eine prärenale, intrarenale oder postrenale Störung? Wir können wahrscheinlich 100 Gründe auflisten, warum die Nieren versagen könnten, und natürlich wird die Behandlung (abgesehen von ein paar sehr
grundlegenden Maßnahmen) sehr stark von der Ursache, also von der tatsächlichen Diagnose, abhängen.
In vieler Hinsicht kann man man übermäßigea Körpergewicht einfach als ein Zeichen dafür betrachten, dass etwas mit der Energie-Homöostase "nicht in Ordnung" ist. Das übermäßige Körpergewicht sagt jedoch nichts über die Ursache des Problems aus - sicher, es ist entweder eine übermäßige Nahrungsaufnahme oder reduzierter Energieverbrauch - aber das wäre genauso, als wenn man sagt, der Kreatininspiegel ist erhöht, weil die Nieren nicht ausreichend ausscheiden.
In der Tat kann ich mir eine lange Liste von Gründen denken, die zu übermäßiger Energieaufnahme oder vermindertem Kalorienverbrauch beitragen: soziokulturelle, psychologische oder biomedizinische Faktoren. Herauszufinden, was genau das Energieungleichgewicht versursacht, ist das eigentlche Problem.
Nur wenn wir den Grund für die exzessive Aufnahme finden, haben wir eine Diagnose der Ursache gestellt. Ein paar spezifische Beispiele könnten umfassen: Schlechte Mahlzeitenplanung, Druck vom sozialen Umfeld, genussvolles Zuviel-Essen, Depression, gewichtssteigernde Medikation, suchtartiges Essen (binge eating disorder), gestörtes Sättigungssignal usw. Der Punkt lautet: bis wir wissen, was das Zuvielessen versacht, können wir das Problem nicht lösen, und das wiederum heißt, so lange werden wir wenig Erfolg mit der Behandlung des Gewichtsproblems haben und müssen uns mit einem symptomatischen Zugang begnügen - "essen Sie einfach weniger"!
Genauso verhält es sich, wenn das Problem in einem Bewegungsmangel liegt. Auch hier lautet die Frage: Was genau verursacht das Problem? Wenn es durch Zeitmangel begründet ist, wird unser Vorgehen hoffentlich völlig anders aussehen, als wenn es an Rückenschmerzen oder einem Motivationsmangel liegt (einem möglichen Symptom von Schlafapnoe, Erschöpfung oder Depression). Ein "symptomatischer", aber erfolgloser Ansatz besteht darin, einfach 10 000 Schritte zu empfehlen. Das ist nicht besser, als Fieber mit kalten Wickeln zu behandeln.
Genauso wie der Begriff "Nierenversagen" nur sagt, dass etwas mit den Nieren nicht funktioniert, sagt uns der Begriff "Adipositas" nur, dass etwas mit der Energiehomöostase nicht in Ordnung ist.
Für sich genommen ist weder der Begriff "Nierenversagen" noch "Adipositas" eine richtige Diagnose - diese Termini sind nur hilfreich, wenn sie weitere Untersuchungen nach sich ziehen, was das Problem verursacht hat oder immer noch verursacht. Nur wenn wir die Ursache finden, sind wir auf dem richtigen Weg zur Problemlösung.
AMS
Edmonton, Alberta
Montag, 28. Juli 2008
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