Orlistat ist ein gastrointestinaler Lipasehemmer, der verschreibungspflichtig unter dem Markennamen Xenical®, in manchen Ländern wie den USA auch rezeptfrei unter dem Markennamen Alli™ zur Unterstützung der Gewichtsreduktion erhältlich ist.
Orlistat ist seit fast einem Jahrzehnt auf dem Markt und wurde sehr ausführlich untersucht. Wenn es gemeinsam mit den empfohlenen Ernährungs- und Lebensstiländerungen richtig angewendet wird, trägt es ohne Frage dazu bei, einen Gewichtsverlust von etwa 5% und gleichzeitig relevante Verbesserungen kardiometabolischer Risikofaktoren (hoher Blutdruck, niedriger HDL-Spiegel, hoher Blutzuckerspiegel usw.) zu erzielen.
Wie bei allen anderen Medikamenten gegen Adipositas steigt das Gewicht jedoch in der Regel wieder an, sobald man mit der Einnahme aussetzt. Soweit nichts Neues.
Weil die Wirkung von Orlistat auf den Darm beschränkt ist (es wird nicht in nennenswerten Mengen resorbiert), wird es als eine Substanz propagiert, die keine “systemische” Wirkung hat. Die wesentlichen Nebenwirkungen werden vollständig durch den Einfluss auf die Fettverdauung erklärt und beschränken sich im Wesentlichen auf Diarrhö, Fettstuhl und abdominelles Missempfinden – unerfreulich, aber sicher kein Anlass für gesundheitliche Bedenken.
Auch eine gewisse Interferenz mit der Absorption fettlöslicher Vitamine (ADEK) ist gegeben. Aber das sollte bei einer gesunden, ausgewogenen Diät oder unter einer vernünftigen Einnahme von Vitaminsupplementen kein Problem sein. Allerdings ist ein signifikanter Einfluss auf fettlösliche Komedikationen (wie Ciclosporin A) zu bedenken. Wenn Patienten diese Medikamente einnehmen, können Dosisanpassungen notwendig werden.
Das alles ist bekannt, sehr gut untersucht und hat auf die meisten Patienten keine nennenswerten Auswirkungen.
Aber an eine Nebenwirkung sollte man bei Patienten, die zur Nierensteinbildung leiden denken. Eine gewisse Möglichkeit besteht, dass Orliastat die Oxalatausscheidung im Urin erhöhen kann, und das wiederum kann potenziell die Bildung von Oxalatsteinen fördern. Jeder, der einmal eine Nierenkolik erlebt hat, weiß, dass man diese Situation zukünftig lieber vermeidet.
Die Ursache dieser potenziellen Nebenwirkung liegt in der einfachen Tatsache, dass (aufgrund der Orlistat-Wirkung) nicht absorbiertes Fett und Gallensäuren im intestinalen Lumen mit Kalzium reagieren können. Dadurch sinkt die Kalziummenge, die Oxalat binden kann, und die intestinale Oxalatresorption steigt an. Das führt zur Hyperoxalurie, und diese wiederum fördert die Bildung von Oxalatsteinen.
Diese zwar komplex erscheinende, aber ziemlich einfache Tatsache wurde erstmals auf Grundlage eines deutlichen Anstiegs der Urinoxalatexkretion bei Ratten beschrieben, welche in einer Studie von Renato Ribeiro Ferraz und Mitarbeitern der Universidade Federal de São Paulo (KIDNEY INTERNATIONAL, 2004) Orlistat und eine fettreiche Ernährung erhalten hatten.
Im Jahr 2007 beschrieben Ashutosh Singh und Mitarbeiter der University of Tennessee die Kasuistik einer Frau mit Nierenkrankheit, die unter der Einnahme von Orlistat eine akute Oxalatnephropathie entwickelte (Am J Kidney Dis). Das Urinsediment ließ reichlich Kalziumoxalatkristalle erkennen, und die 24-Stunden-Oxalatkonzentration im Urin war signifikant erhöht. Ein Nierenbiopsat ließ die Ablagerung von Kalziumoxalatkristallen im Lumen der Tubuli erkennen. Eine Biopsie, die einen Monat nach Beenden der Orlistat-Therapie vorgenommen wurde, zeigte keine Zeichen von Oxalat mehr, und die Nierenfunktion erholte sich langsam zum Ausgangswert.
In der Juliausgabe von OBESITY berichten jetzt Kemal Sarica und Mitarbeiter vom Memorial Hospital in Istanbul, Turkei, Daten aus einer Studie bei 95 adipösen Patienten (57 Männer, 38 Frauen) die randomisiert einer sechsmonatigen Behandlung mit Orlistat oder keinen spezifischen Medikation zugeordnet wurden. In der Behandlungsgruppe ließen zwei Drittel der Patienten einen deutlichen Anstieg der Urinoxalatexkretion nach drei Monaten erkennen, die im Wesentlichen auch nach sechs Monaten noch bestand. Obwohl keine Nierensteine beobachtet wurden, kommentieren die Autoren, dass der Anstieg der Oxalatexkretion ausreichend hoch war, um bei entsprechend prädisponierten Patienten eine Steinbildung auszulösen.
Hier zeichnet sich nichts Dramatisches ab – so lange man kein erhöhtes Risiko für Oxalat-Nierensteine hat. Wenn das der Fall ist, sollte man vielleicht am besten auf Orlistat verzichten oder die gleichzeitige Aufnahme oxalatreicher Nahrungsmittel wie Rhabarber, Spinat, Erdbeeren, Schokoloade, Weizenkleie, Nüsse, Rote Bete und Tee reduzieren und reichlich Wasser trinken.
AMS
Edmonton, Alberta
Montag, 14. Juli 2008
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