Viele Blog-Leser kennen die gegenwärtige und vermutlich nie endende Debatte darüber, ob Adipositas ein Risikofaktor, eine Krankheit, eine Störung oder einfach ein Extrem in der Normalverteilung des Körpergewichts ist. Heute will ich einen weiteren Begriff in den Ring werfen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto stärker bin ich davon überzeugt, dass wir Adipositas als ein klinisches Zeichen ansehen sollten, so wie zum Beispiel ein Ödem. In gleicher Art, wie ein Ödem eine übermäßige Flüssigkeitsansammlung signalisiert, zeigt Adipositas die übermäßige Ansammlung von Körperfett an. So wie das Ödem das klinische Zeichen einer Störung in der Flüssigkeitshomöostase ist, so ist übermäßiges Fett eine Störung der Energiebilanz.
Bei einem Patienten mit Ödem können wir natürlich einfach auf eine symptomatische Therapie setzen, wie Restriktion der Salz- und Flüssigkeitsaufnahme. Aber vermutlich werden erfahrene Kliniker her verstehen wollen, ob die Flüssigkeitsretention auf einer unzureichenden Herzfunktion, Nierenversagen, venöser oder lymphatischer Insuffizienz, Vasodilatatoren oder anderen möglichen Ursachen beruht.
Ähnlich können wir auch bei einem Patienten mit übermäßigem Körperfett einfach eine symptomatische Behandlung verschreiben, wie eine reduzierte Nahrungsaufnahme oder gesteigerte Aktivität, oder wir können versuchen, den Faktoren auf den Grund zu gehen, die den Patienten veranlassen, zuviel zu essen oder sich zu wenig zu bewegen. Ob das Zuvielessen Folge von sozialem Druck, Hunger (Auslassen von Mahlzeiten), Depression, suchtartigem Essen, Olanzapin, Zucker-"Sucht", MC-4-Rezeptordefekt oder einem Kraniopharyngeom ist, kann die Wahl der Behandlung wohl beeinflussen.
Auch ob der Bewegungsmangel auf einem Zeitproblem, Wohnen in unsicheren Stadtvierteln, obstruktiver Schlafapnoe, Angstörungen, Depression, Rückenschmerzen, Fibromyalgie, plantarer Fasziitis, vitaler Erschöpfung oder einer Querschnittslähmung beruht, wird (hoffentlich) entscheidend dazu beitragen, welche Behandlungsstrategie als die am besten geeignete und wirksame ausgewählt wird.
Die Vorstellung, dass sämtliche Menschen mit zuviel Fett einfach weniger essen und sich mehr bewegen sollen, entspricht dem Gedanken, alle Menschen mit Ödem sollten einfach ihre Flüssigkeits- und Salzaufnahme reduzieren.
Wenn Adipositas einfach ein klinisches Zeichen ist, dann sind Zuviel-Essen und Bewgungsmangel nichts anderes als Symptome!
Die Differenzialdiagnose von Zuviel-Essen und zuwenig Bewegung ist komplex und kann soziokulturelle, psychologische, medizinische und iatrogene Ursachen einschließen.
Wir sollten unsere Diagnostik differenzierter und überlegter anlegen. Es ist zu hoffen, dass unsere Fähigkeiten, die zugrundeliegenden Ursachen erfolgreicher anzugehen, dem folgen werden.
AMS
Edmonton, Alberta
Dienstag, 19. August 2008
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