Eines meiner Lieblingszitate lautet: "Keiner, der versucht das Unmögliche möglich zu machen, wird für sein Scheitern bewundert" .
Schon früher habe ich über unrealistische Erwartungen beim Gewichtsmanagement gebloggt. Einer der Hauptgründe für die erfolgreiche Einführung einer Orientierungsphase in unserem Weight Wise Programm war tatsächlich, die oft überzogen optimistischen Erwartungen der Patienten, wieviel Gewicht sie tatsächlich abnehmen und dann halten können, zu dämpfen.
Ein Großteil der Patienten hofft auf einen Gewichtsverlust von 50% des Ausgangsgewichts. Dagegen lautet die traurige Wahrheit, dass der durchschnittliche Patient selbst mit chirurgischer Behandlung "nur" etwa 25% abnimmt, jedenfalls, wenn alles gut läuft!
Warum ist es so wichtig, auf die Erwartungen einzugehen?
Weil unrealistische Erwartungen eine Enttäuschung garantieren (für die Mathematiker unter den Lesern: S=O/E, wobei S für Satisfaction [Zufriedenheit], O für actual Outcome [tatsächliches Ergebnis], E für Expectations [Erwartungen] steht; wenn S<1 ist der Patient unzufrieden oder enttäuscht).
Das Thema überzogene Erwartungen beschränkt sich nicht auf die Gewichtsabnahme. Janet Polivy (University of Toronto) nannte dies in einem sehr schönen Beitrag im International Journal of Obesity (2001 - PDF kostenfrei zum Download) das Syndrom der Falschen Hoffnung.
Im Kontext des Gewichtsmanagements ist dieses Syndrom durch oft grotesk unrealistische Erwartungen in folgenden Punkten charakterisiert:
1. wie viel Gewicht (auch auf Dauer) abgenommen werden kann
2. wie lange das dauert
3. wie schwierig es ist, den Lebensstil zu ändern
4. wie groß die Auswirkungen dieser Änderungen (Abnahme) auf andere, zumeist nicht gesundheitsbezogene Aspekte des Leben sind (z.B. besserer Job, attraktiver für mögliche Partner usw.)
Wenn irgend eine der hierbei herrschenden Erwartungen nicht erfüllt werden, ist das Ergebnis pure Enttäuschung, Entmutigung und das Gefühl des Versagens.
Daher ist jeder, der sich mit Gewichtsmanagement befasst, moralisch und ethisch verpflichtet, den Patienten auszureden, dass sie alle zu Kens und Barbies werden, wenn sie sich nur hart genug anstrengen.
Leider ist es für Gesundheitsanbieter sehr einfach, auf diese übertriebenen Erwartungen ihrer Patienten einzusteigen oder sie sogar noch zu wecken, indem sie das Unmögliche fordern und auch selbst erwarten. So wartet beispielsweise auf den Orthopäden, der von seinem Patienten erwartet, vor einem Hüftgelenkersatz 30% abzunehmen, geradezu ein Prozess wegen “mentalen Missbrauchs” (zumal die Evidenz dafür, dass adipöse Patienten von einer künstlichen Hüfte weniger profitieren als nichtadipöse Patienten, reichlich dünn ist).
Es gibt wenig Zweifel daran, dass einer der Hauptfaktoren für diese viel zu hohen Erwartungen die zahllosen kommerziellen Abnehm-Programme, Produkte, Bücher und Schwindel sind, die mit der Fantasie der Menschen Schindluder treiben, trotz der realen Tatsache, dass nur sehr wenige (wenn überhaupt irgend welche) Anwender dieser Produkte und Dienstleistungen tatsächlich irgend eines ihrer langfristigen Ziele erreichen. Erstaunlich, die Schwindler kommen ungestraft davon, weil die Anwender komischerweise dazu neigen, sich selbst die Schuld zu geben, statt das nutzlose Produkt oder den
Service für ihr Versagen verantwortlich zu machen. In den seltenen Erfolgsfällen dagegen war es natürlich das Programm, das den Erfolg gebracht hat.
So ist das natürlich für die Anbieter kein schlechtes Geschäft!
Bei ethischen Programmen erwarte ich an allererster Stelle, dass alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, um das Syndrom der Falschen Hoffnung zu diagnostizieren und anzugehen, BEVOR die eigentliche Therapie beginnt. Das zu unterlassen garantiert ein Versagen, Enttäuschung und einen Relaps.
AMS
Edmonton, Alberta
Mittwoch, 27. August 2008
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