Freitag, 22. August 2008

Kostet Adipositas die Kanadier 95 Milliarden Dollar?

Australien und Kanada haben vieles gemeinsam. Beide sind große hochindustrialisierte und urbanisierte Länder mit recht hohem Lebensstandard und relativ kleiner Population (20 Millionen in Australien; 33 Millionen in Kanada).

Auch die Adipositasraten sind vergleichbar hoch: etwa 16-18% bei Erwachsenen und 8-10% bei Kindern und Jugendlichen.

Was kostet die Adipositas diese Länder? Die neuesten Zahlen für Kanada habe ich nicht, aber ein Bericht, den das führende australische Wirtschaftsberatungsunternehmen Access Economics diese Woche veröffentlichte, schätzt die Gesamtkosten der Adipositas in Australien für 2008 auf 58,2 Milliarden Dollar.

Wenn man annimmt, dass die Kosten der Adipositas in Australien nicht sehr viel anders liegen als in Kanada, würde das hochgerechnet auf die größere Bevölkerung für Kanada etwa 95 Milliarden bedeuten [und 300 Milliarden für die deutschsprachigen Länder].

Weil es innerhalb der Gesundheitssysteme doch einige wesentliche Unterschiede geben könnte, wäre ich bereit, die eine oder andere Milliarde herauszurechnen.

Aber das ändert nichts daran, dass diese atemberaubende Zahl sehr weit von jeder anderen Schätzung der Adipositas-Kosten in Kanada, die ich je gehört habe, abweicht. Am häufigsten wird eine Zahl um 3,5 Milliarden Dollar herumgereicht. Sie get auf eine Schätzung der direkten und indirekten Gesundheitskosten der Adipositas zurück, die 1997 in Kanada publiziert wurde.

Diese Zahlen werden zwar allgemein akzeptiert, aber angesichts der heutigen Adipositas-Raten sind sie lächerlich gering. Die Zahlen für Kanada, die man von den Australischen 2008-Daten extrapolieren kann, liegen über 20-mal so hoch. Das liegt zum einen an der Zunahme der Adipositas im letzten Jahrzehnt und zum anderen an der anderen und ausführlicheren Methodologie, welche die Australischen Ökonomen verwendeten.

Welche Zahlen genau lieferte Access Economics für die Adipositas-Kosten in Australien?

- Die Kosten der Adipositas im Jahr 2008 wurden mit 8,283 Mrd. $ geschätzt. Davon entfielen etwa 3,6 Mrd. (44%) auf Produktivitätskosten, 2,0 Mrd. (24%) auf Gesundheitssystemkosten und 1,9 Mrd. (23%) auf Kosten der Gesundheitsanbieter.

- DWL von Transfers (entgangene Steuern, Wohlfahrts- und anderen Regierungszahlungen) betrugen 727 Millionen Dollar (9%), andere indirekte Kosten beliefen sich auf 76 Millionen $ (1%).

- Die Nettokosten für den Verlust an Wohlbefinden (der Dollarwert für die Krankheitsbelastung, die Kosten des Einzelnen) wurden mit 49,9 Mrd. $ berechnet, sodass sich die Gesamtkosten der Adipositas im Jahr 2008 auf 58,2 Mrd. belaufen.

- Von den Kosten waren 29,4% vom Einzelnen zu tragen, 19,2% von Familie und Freunden, 34,3% von der Landesregierung (2,8 Mrd. pro Jahr), 5,1% von der Bundesregierung, weniger als 0,1% von Arbeitgebern und 11,8% von der übrigen Gesellschaft. Wenn man jedoch die Kosten für das Wohlbefinden einschließt, steigt der Anteil des Einzelnen auf 90,0% des Gesamten.

Der vollständige Bericht kann hier herunter geladen werden.

Ich bin kein Finanzgenie, aber 95 Mrd. Dollar klingen nach sehr viel Geld. Wenn die Experten bei Access Economics nicht völlig daneben liegen oder wenn Kanada nicht völlig anders als Australien ist, dann ist das Adipositas-Problem sehr viel teurer, als die meisten Kanadier (die Regierung eingeschlossen) vermuten.

Wie ich schon mehrfach im Blog betont habe: die wirklichen Kosten der Adipositas fallen nicht bei der Gesundheitsversorgung an - sie bestehen im Verlust des Wohlbefindens und im Verlust der Produktivität unserer gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitenden.

AMS
Edmonton, Alberta

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